Es ist der Moment, ab dem unsere Füße nie wieder den Boden berühren. Trotzdem hinterlassen viele von uns selbst im Tod noch einen großen ökologischen Fußabdruck: Das letzte Hemd der Verstorbenen ist oft ein synthetisches, gleiches gilt für die Auskleidung seines Sargs. Der Körper wird erst gekühlt, dann vielleicht kremiert, für beides wird Energie aufgewendet. Und dann reisen viele Menschen an, von fern und nah, um sich zu verabschieden. Zurück bleiben, überspitzt formuliert, welke Blumen in Plastik.
Das ist eine bittere Bilanz für den Planeten, die nach vielen Abschieden gezogen wird, findet Bestatterin Caren Baesch: „Viele Menschen machen sich zu wenige Gedanken darüber, was in 25 Jahren Ruhefrist in der Erde passiert, beziehungsweise was nicht passieren kann, wenn alles hermetisch abgeriegelt ist, und dann nahezu unverändert wieder herauskommt.“
Doch nicht erst seit Corona – dem Ereignis, das uns den messbaren Effekt unseres Verhaltens auf die Umwelt so deutlich vor Augen führte – ist ein Umdenken zu spüren. Vielerorts erfahren naturnahe Ruhestätten, beispielsweise Bestattungswälder oder sogar Friedweinberge, deutlichen Zuspruch. Den kommenden Generationen die Grabpflege ersparen zu wollen, ist ein häufiges Argument, doch auch aus anderen Gründen wird die Nähe zur Natur wieder wichtiger.
„Wir stehen an einem Wendepunkt, der eine neue Generation befähigt, Entscheidungen zu treffen: die Millennials“
Das sagt die Trendforscherin und Bestattungskulturexpertin Stefanie Schillmöller. „Sie setzen sich mit Themen wie Nachhaltigkeit bewusster auseinander, haben andere finanzielle Vorstellungen, sind spiritueller. Jüngere Menschen haben auch einen anderen Zugang zu Wissen und Information als vielleicht noch ihre Eltern und Großeltern.“ Diese neue Generation bildet sich aktiv eine Meinung, auch zum Thema Bestattung und damit nachhaltigen Optionen. Sie reflektiert: Was ist mir wichtig, wie will ich eigentlich sterben, was will ich hinterlassen?
So progressiv das zunächst auch klingen mag – nachhaltige Bestattungen sind alles andere als neu. Die Menschen haben sich tausende Jahre naturnah bestatten und in den ewigen Kreislauf überführen lassen, und in vielen Kulturen ist das auch weiterhin noch der Fall. Auch wenn es nicht unser aller Sache ist, beispielsweise zerlegt und Vögeln zum Fraß vorgeworfen zu werden, wie das in Tibet unter dem Begriff „Himmels-“ oder „Luftbestattung“ praktiziert wird. Für alle, deren ornithologische Begeisterung hierfür nicht ausreicht, tun sich aktuell viele spannende Alternativen auf, denn überall auf der Welt wird mit neuen, möglichst rückstandsfreien Arten der Bestattung experimentiert: In den USA wird die Wasserkremation vorangetrieben; die schwedische Biologin Susanne Wiigh-Mäsak vertritt auf internationalen Bühnen die Vorzüge der Promession, die mit der schon bekannteren Kryonik verwandt ist; in verschiedenen Ländern erfreut sich die „Recompose“-Bewegung, die den Körper in einem reduzierten Verwesungsprozess der Erde übergibt, wachsender Beliebtheit.
Gleich nebenan von Deutschland, in den Niederlanden, macht gerade Bob Hendrikx von sich reden. Er ist jung, vor allem für einen, der sich mit dem Tod auseinandersetzt. Mit gerade einmal 30 Jahren hat er einen Sarg aus lebenden Organismen, Mycelien, geschaffen, der ihm binnen kürzester Zeit großes Interesse eingebracht hat. Auf der Website seines Unternehmens Loop Biotech ist zu lesen, dass man die Natur mit dem eigenen Tod versorgen, statt verunreinigen sollte. Sein organischer Sarg aus Mycelium helfe dabei, selbst die schädlichsten Stoffe unserer modern zugrunde gerichteten Körper (219 Chemikalien sind laut Hendrikx darin), in der Erde in wertvolle Nährstoffe zu verwandeln. Für ihn sei das ein natürlicher Prozess, sagt Hendrikx. Immerhin sei jeder Tod in der Natur auch immer Grundlage für neues Leben – nur hätten die Menschen sich von dieser Idee denkbar weit entfernt. „Ich glaube aber, die Menschen sind bereit für diese Art Produkt, denn sie ermöglicht uns eine neue Perspektive aufs Sterben“, so Hendrikx.
Tatsächlich ist die Idee bestechend, ein Stück Land durch den eigenen Körper womöglich in einem besseren Zustand zu hinterlassen, als man es vorgefunden hat. So sehr, dass auch die niederländische Regierung momentan zusammen mit Hendrikx Forschung zur Wiederherstellung von verunreinigten Böden mithilfe menschlichen „Komposts“ rund um Rotterdam betreibt. „Es ist einfach eine Win-Win-Win-Situation“, sagt Hendrikx. „Es tröstet den, der sterben muss, wieder in der Natur anzukommen, es tröstet die Hinterbliebenen, und die Umwelt dankt es uns auch noch.“
Auch in Deutschland hat er schon einige seiner Pilzsärge ausliefern können, denn selbst in regulierteren Märkten als den Niederlanden fügt er sich problemlos in bestehende Lieferketten ein und kann wie jeder andere Sarg für Kremation wie Erdbestattung verwendet werden. Denn auch wenn kein Kompostierungsverfahren à la Hendrikx eingeleitet wird, können ebenso in konventionelleren Bestattungskontexten wie zum Beispiel dem Reihengrab auf dem städtischen Friedhof nachhaltige Produkte einen großen Unterschied machen.
„Ich unterscheide zwischen materieller, sozialer und emotionaler Nachhaltigkeit,” so Caren Baesch. „Zunächst arbeite ich nur mit Naturmaterialien. Unsere Urnen sind alle biologisch abbaubar und unsere Särge bestehen zum Beispiel aus schnell nachwachsenden Hölzern aus Deutschland und Österreich, da sind die Wege auch nicht so weit. Dann achten wir darauf, dass sie von Menschen mit Behinderungen in entsprechend ausgerichteten Werkstätten hergestellt werden. Und wenn der fertige Sarg dann noch von den Trauernden bearbeitet, zum Beispiel bemalt wird, ist das auch emotional nachhaltig und günstig für den Trauerprozess.“
Naturmaterialien sind auch Stefanie Schillmöller wichtig, nur: „Eine nachhaltige Urne muss nicht zwangsläufig aus einer Birke geschnitten werden und auch wie eine Birke aussehen“, findet sie und empfiehlt Produkte aus überraschenden Materialien, die auch noch ästhetisch daherkommen, wie eine Urne, die aus Bioplastik besteht, das aus Abwasser gewonnen wird, oder eine aus Eis, die drei Stunden lang die Form hält, bevor sie dem Meer übergeben wird. „Man kann sich auch fragen: Wieso nicht in einem Sarg aus Karton beerdigen lassen, wenn er schön aussieht? Das ist auch noch so ein Überbleibsel der älteren Generation, dieses: Ich lasse mich doch nicht in einem Schuhkarton beerdigen. Ein Statussymbol.” so Schillmoeller.
Gut denkbar, dass für immer mehr Menschen die Nachhaltigkeit der eigenen Bestattung zum „Statussymbol“ wird. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, denn: Welches Bestattungsunternehmen sollte einem schon sagen, dass eine gute Lösung das Leinenhemd aus dem Schrank oder der selbstgefertigte Grabstein aus dem Garten wäre? In Zukunft jedes gute, wenn es nach Stefanie Schillmöller geht. „Die Nachfrage nach nachhaltigen Optionen für Särge und Urnen wird weiter steigen, aber mehr noch sehe ich ein aufkommendes Bewusstsein für die Bedeutung des Abschiedes als Ganzes, als heilende Zeremonie und Ritual. Die Suche nach einem würdevollen Ende schreit nach einer Erweiterung der Services rund um den Abschied. Es geht hier um Zeit, die man sich bewusst nehmen will, um eine Erfahrung und weniger um einen administrativen Akt.“
Vom Produkt zur Begleitung also – wahrscheinlich die nachhaltigste aller Entwicklungen in der Bestattungsbranche. Trotzdem müssen Umweltbewusste unter uns nicht komplett auf schöne Dinge verzichten, wenn wir unsere eigene Bestattung oder die eines lieben Menschen planen.
Checkliste für deinen finalen Fußabdruck
Mit dieser Checkliste (inspiriert von der „Grünen Linie“) kannst du dazu beitragen, dass dein finaler Fußabdruck so klein wie möglich ist und trotzdem das Größtmögliche geschieht: Leben nach dem Tod.
Särge und Urnen
…aus Naturmaterialien sind biologisch abbaubar. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass Oberflächen nicht lackiert, sondern geölt oder gewachst werden oder ganz unbehandelt sind. Mit lokalen Materialien und Produkten verringerst du deinen ökologischen Fußabdruck.
Die Kleidung des Verstorbenen
… sollte aus natürlichen Materialien wie Baumwolle, Seide oder Leinen bestehen, die in wenigen Monaten abgebaut werden können – im Vergleich zu Jahren oder sogar Jahrzehnten bei synthetischen Stoffen.
Einladungen
… können auf Recyclingpapier gedruckt oder digital verschickt werden. Es gibt Copyshops und Druckereien, die eine Umweltzertifizierung haben und mit besonders schonenden Druckfarben arbeiten. Papiere können das Label FSC tragen.
Trauergäste
… reisen, sofern möglich, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Sie können sich auch für die Fahrt in eigenen Autos oder Sammeltaxis zusammenschließen.
Grabmale
… können aus Naturstein oder anderen nachhaltigen Materialien in handwerklicher lokaler Arbeit gefertigt werden.
Blumen und Pflanzen
… sollten den Jahreszeiten entsprechend ausgewählt werden. Zum Beispiel kann das Grab mit Stauden, Gräsern und Gehölzen der Region bepflanzt werden, die von den Gästen statt Sträußen mitgebracht werden können.